Warum Reichtum ohne Armut nicht funktioniert

Luxus und Reichtum funktionieren nicht ohne Armut. Warum? Ich erkläre das mal kurz mit Äpfeln.

Mal angenommen, es gibt 20 Äpfel, die wir auf 10 Menschen aufteilen wollen. Wenn wir alle Äpfel aufteilen, hat jeder Mensch im Durchschnitt 2 Äpfel: 20 / 10 = 2. Probieren wir 3 Varianten aus, um die Äpfel auf die Menschen zu verteilen:

  1. Wenn wir die Äpfel gleich verteilen, dann bekommt jeder Mensch 2 Äpfel. Jeder Mensch hat genauso viele Äpfel wie es dem Durchschnitt entspricht. Eine Folge davon ist, dass es keinen Menschen gibt, der überdurchschnittlich viel hat.
  2. Geben wir einem Menschen 3 Äpfel, weil er besonders groß oder wichtig ist, bekommt jemand anderes nur 1 Apfel (Wir verteilen nur ganze Äpfel). Natürlich bleibt der Durchschnitt bei 2 Äpfeln pro Person. Jetzt gibt es 8 Menschen, die durchschnittlich viele Äpfel haben, 1 Mensch der überdurchschnittlich viele Äpfel hat und 1 Mensch der unterdurchschnittlich viele hat.
  3. Wir könnten die Äpfel aber auch ganz anders verteilen. Weil 1 Mensch besonders wichtig ist, bekommt er von jedem anderen 1 Apfel. Dieser Mensch hat jetzt 11 Äpfel und alle anderen haben 1 Apfel. Jetzt hat im Durchschnitt immer noch jeder Mensch 2 Äpfel. Nur sind die Äpfel jetzt so verteilt, dass 9 Menschen weniger haben als der Durchschnitt. 1 Mensch ist sehr reich und keiner hat genauso viel wie der Durchschnitt.

Dieser statistische Effekt begründet, warum man Mittelwerte immer mit Standardabweichung angeben sollte, die wird nämlich – anders als der Durchschnitt – größer je ungleicher die Äpfel verteilt sind. Mir geht es hier aber nicht um Statistik, sondern um Armut und Reichtum.

Die Hans-Böckler Stiftung definiert Armut so, dass jeder als arm gilt, der weniger als 60% des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat. Für die Äpfel-Verteilaufgabe von oben bedeutet das, dass jeder, der weniger als 1,2 Äpfel hat als arm gilt. Das bedeutet:

  • In Variante 1 gibt es 0 Arme
  • In Variante 2 gibt es 1 Arme
  • In Variante 3 gibt es 9 Arme

Wir wissen jetzt wie viele Arme es jeweils gibt, aber wie viele Reiche gibt es in den Varianten? Ich nehme vereinfacht an, dass man dann reich ist, wenn man genauso viel mehr hat, wie Arme weniger haben. Wer 2,8 Äpfel oder mehr hat, gilt dann als reich. So ergibt sich folgendes Bild. 

  • In Variante 1 gibt es 0 Reiche
  • In Variante 2 gibt es 1 Reiche
  • In Variante 3 gibt es 1 Reiche

Spannend ist bei dieser Gegenüberstellung, dass es in Variante 1 (jeder hat gleich) viel, weder Arme noch Reiche gibt. Dieser Effekt wird noch deutlicher, wenn man Reichtum als die „Oberen 10%“ definiert. In Variante 1 gibt es dann keine Oberen 10 % . Die Zuschreibung reich oder arm ist hier einfach nicht möglich, weil Jeder gleich viel hat.

In den beiden anderen Varianten gibt es Reiche und Arme. Das veranschaulicht, dass Armut und Reichtum immer Hand in Hand gehen. Das Eine kann es ohne das Andere nicht geben. Wer Armut auslöschen will, muss dafür das Streben nach Reichtum loslassen.

Variante 3 verdeutlicht einen weiteren Effekt. Desto größer das Vermögen der Reichen, desto mehr arme Menschen gibt es. Da ist es dann egal, ob 42 oder 62 Milliardäre die Hälfte des weltweiten Vermögens (quasi 11 von 20 Äpfeln, Variante 3) unter sich aufteilen. Der Reichtum und die dadurch entstehende Armut ist gigantisch. 

Das mit den Milliardären ist etwas plakativ und ungenau – zumal alle die das hier lesen keine Milliardäre und wahrscheinlich nicht mal Millionäre sind. Deswegen spitze ich das Argument gerne noch etwas zu. Möchtest du überdurchschnittlich viel verdienen? Ja? Ok, dann sagst du damit gleichzeitig, dass du möchtest, dass jemand Anderes unterdurchschnittlich viel verdient. Schau dir Variante 2 an. Damit einer 3 Äpfel haben kann, darf ein Anderer nur 1 Apfel haben. 

Es ist logisch unumgänglich. Sobald es Jemanden gibt, der mehr als der Durchschnitt hat, muss es Jemanden geben, der weniger als der Durchschnitt hat. Wer nach Reichtum oder gar Luxus strebt, der nimmt damit Armut in Kauf. Denk mal darüber nach.

Epilog

Mir fallen einige Beispiele ein, wie man meine Apfel-Geschichte argumentativ angreifen könnte. Die möchte ich einfach – zum weiteren Gedankenanstoß – teilen:

  • Die Definition relativer Armut mit einem Mittelwert ist unsinnig. Treffender wäre eine Definition von Armut anhand des Medians. Jeder der weniger als 60% des Medians hat ist armutsgefährdet. Jeder der weniger als 40% des Medians hat ist arm. Damit gibt es nur in Variante 2 eine armutsgefährdete Person, aber keine Armen. In Variante 3 ist der Median übrigens 1 – damit gibt es dort nicht mal armutsgefährdete Menschen!
  • Statt einer relativen, sollte eine absolute Armutsgrenze genutzt werden. Diese absolute Armutsgrenze ist 1 Apfel. In keiner der Varianten gibt es Armut. Diesen Erfolg sollten wir feiern. Da es keine Armut gibt, ist es völlig in Ordnung, dass es (Super-) Reiche gibt
  • Der Reiche hat eben einen Apfelbaum gepflanzt der ihm gehört! Ohne seinen Apfelbaum gäbe es überhaupt keine Äpfel! Die Anderen sollten froh sein, dass sie bei der Ernte helfen dürfen und einen von seinen 20 Äpfeln abbekommen!
  • Armut und Reichtum sind Naturgesetze. Daher ist es völlig in Ordnung, dass manche (z.B. die Leistungsstarken) reich sind, während Andere (die Schwachen und Faulen) arm sind. Kleine Provokation: Setz doch mal „Männer“ und „Frauen“ in die Klammern

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